Interview mit Paralympics-Gewinner Johannes Floors

 

Johannes, du wurdest Erster bei den Junior-Weltmeisterschaften 2015 im 100m-, 200m- und 400m-Lauf und in den 4x100m Staffeln bei den Weltmeisterschaften. 2016 belegtest du in den selben Disziplinen die ersten Plätze bei den Europameisterschaften und letztlich gewannst du Gold in den Paralympics in Rio und hattest sogar schon Erfolge als Schwimmer. Aber das wäre vor einigen Jahren für dich undenkbar gewesen. Kannst du erklären wieso?

 

Ich bin mit einer Fehlbildung geboren worden, die sich Fibula Aplasie nennt. Das heißt im Grunde, dass mir das Wadenbein im Unterschenkel fehlt. Es war von Geburt an nie da und der Fuß wuchs komplett deformiert. Du musst dir vorstellen, dass ich beidseitig verkürzte Unterschenkel hatte mit 'ner Banane als Fuß, also wirklich so krumm geformt, und da bin ich drauf gelaufen, 16 Jahre lang und ich hatte irgendwann mal unsagbare Schmerzen. 2011 habe ich mich schlussendlich für eine Amputation entschieden, um dann endlich Sport machen zu können.

 

 

Also würdest du sagen, dass die Leidenschaft zum Sport mit der Amputation kam und du daher die Stärke geschöpft hast?

 

Nein, ich war nie unsportlich. Allerdings war ich nie so wirklich fähig schnell zu laufen oder generell zu laufen. Wasser war mein Element oder generell alles oberkörpermäßige, also Kraft aus dem Oberkörper zu schöpfen. Und durch die Amputation war mir einfach viel möglich. Ich hab einen ganz anderen Blickwinkel auf's Leben bekommen: Einmal, weil ich von 1,60m wegen verkürzter Unterschenkel auf einmal 1,80m groß war und weil da einfach ein kompletter Reifeprozess in mir abgelaufen ist.

Also mit dieser Größe zusätzlich und dann ohne Schmerzen durch's Leben zu kommen habe ich enorm viel Selbstbewusstsein gewonnen. Parallel dazu habe ich dann das Laufen angefangen und gemerkt, es macht mir Spaß. Wenn du 16 Jahre lang nicht laufen konntest und dann die Möglichkeit dazu hast, laufen zu können, schneller als du jemals konntest, dann ist das wie ein Rausch und aus so einem Rausch möchte man nie wieder rauskommen.

 

 

 War durch den Gendefekt dein ganzer Alltag eingeschränkt? Sicher gab es da auch Schwierigkeiten in der Schule ,oder? Wie kamst du damit und mit der Entscheidung zur Amputation klar?

 

Ich kam durch den Alltag so durch. Ich habe auch den Sportunterricht komplett mitgemacht, hab aber meistens am Ende des Sportunterrichts dann schon starke Schmerzen gehabt. In der Schule sitzt du ja viel, das ging dann gut. Aber häufig musste ich auf Schulausflügen und Wanderungen verzichten oder bei einer Klassenfahrt bin ich dann bei der Wanderung einfach eben in der Jugendherberge zurückgeblieben. Also bei sowas musste ich leider etwas Verzicht haben. Ansonsten, ich meine als Kind hat man ja häufig die Einstellung: ,,Augen zu und durch'', und da macht man trotzdem weiter, auch wenn's weh tut, allein, weil man keine Schwäche zeigen will oder weil die Freunde trotzdem weiter machen und man will halt mit den Freunden mitmachen. Die Schulzeit war irgendwie: normaler Oberkörper, komische Beine. Fällt Anderen auch irgendwann auf und natürlich gibt’s dann Leute, die müssen einen hänseln und da muss man halt drüber stehen.

 

 

Was würdest du denn denen raten die auch Erkrankungen haben womit die nicht so gut klar kommen oder nicht so selbstbewusst sind?

 

Das Wichtigste ist, gerade wenn man eine Behinderung oder eine Erkrankung hat, dass man sich mit der auseinandersetzt und dass man sich selbst darüber in Klaren ist und auch zum Teil damit identifizieren kann. Denn wenn man daraus Selbstbewusstsein schöpfen kann, dann merken das andere Leute und das strahlt nach außen und dann ist man parallel dazu, also wenn man mit sich selbst in Einem ist, auch nicht mehr angreifbar für andere.

 

 

Du bist in den Paralympics als Läufer in 4. Position durchs Ziel gelaufen. Ihr habt dann erfahren, dass ihr nicht Silber, sondern Gold gewinnt, mit der paralympischen Bestzeit von 40,82 Sekunden, nachdem die Amerikaner disqualifiziert wurden. Was war das für ein Gefühl?

 

*Lacht* Das war phänomenal. Also ich bin ja in einem richtig knappen Lauf als zweiter durchs Ziel hinter dem Amerikaner... wir haben uns über die Zeit gefreut. Wir haben uns über die Bestzeit gefreut. Wir haben ewig dafür trainiert. Wir waren froh unsere Leistung abrufen zu können und auf einmal schwankt die Anzeigetafel oben: "Deutschland Platz 1", und wir haben uns einfach nur noch gefreut. Das war... das ist ein Gefühl, das kann man kaum in Worte fassen. Das ist so unglaublich schön, das erfüllt jemanden mit Glück, weil das zeigt, dass all die Strapazen, all der Verzicht, den man dann aufgebracht hat, sich gelohnt hat.

 

 

Und wie habt ihr den Sieg dann gefeiert?

 

Wir haben leider alle danach noch Wettkämpfe gehabt. Das heißt, wir mussten unsere Feier dann ein paar Tage nach hinten verschieben und haben dann schön im deutschen Haus in Rio de Janeiro angestoßen.

 

 

Hast du vielleicht noch Ratschläge für Nachwuchssportler?

 

Das Wichtigste ist Spaß. Ich glaube, wenn der Sport keinen Spaß mehr macht, unabhängig welche Sportart, dann ist man irgendwo fehl am Platz. Sonst zählt auch immer: Man muss sich ein Ziel setzen. Es darf auch erstmal ein kleines Ziel sein, das man erreichen kann. Und wenn es erreicht ist: das nächst größere setzen. Ich glaube man muss mit Erfolg und Selbstbelohnung arbeiten.

 

 

Wenn du zu einem Fast Food Lokal gehst, zu welchem gehst du und was bestellst du?

 

*Lacht* Meistens bin ich dann bei der goldenen Möwe.

 

*fragendes Gesicht von uns* ''Kennen wir nicht...''

 

*Lacht* McDonalds. Meistens gibt’s dann ein Royal TS Menü mit Pommes, Apfelschorle und dazu noch 'ne 9er Chicken McNuggets mit Süß-Sauer-Soße.

 

Artikel: Aurora Privitera